9 septembre 2013

Und sonntags grüßt die Lesebühne

Gestern ist mir etwas Merkwürdiges passiert. Eine längst vergessene Empfehlung meinerseits aus dem letzten Jahr hat die von der Realität ansonsten hermetisch abgeschottete Blogosphäre verlassen und wurde auf eben jener Bühne lobend(?) erwähnt, für die ich einst die Werbetrommel geschlagen habe: auf der Lesebühne ihres Vertrauens

Was war passiert? Wie so oft im letzten Jahr, besuchte ich auch im September 2013 die Lesebühne ihres Vertrauens, eine Veranstaltung, auf der die drei festen Mitglieder, Tilmann Birr, Severin Groebner und Elis gemeinsam mit wechselnden Gästen ihre Texte vortragen und Lieder singen. Wie letztes Jahr im September war Elis nicht dabei, was die beiden anderen jedoch nicht davon abhielt, reichlich aus Elis' Sprüchetüte zu zitieren. Irgendwann erinnerte sich Severin doch tatsächlich an meinen Blogartikel aus dem letzten Jahr, der meinen ersten Besuch der Lesebühne (September 2012) resümierte. Darin schrieb ich: 

"Jeden zweiten Sonntag im Monat veranstalten Tilman Birr, Lisa Danulat, Elis und Severin Groebner die Lesebühne im Frankfurter Ponyhof. Zwar waren diesmal nur Tilman und Severin anwesend (nach spontaner, nicht repräsentativer Umfrage soll wohl Elis besonders gut sein, da er die "Portion Wahnsinn" mit bringt), die vermeintliche Lücke füllten sie jedoch mit den zwei überragenden Gästen Andreas Weber und André Herrmann"

In Severins Kopf blieb hängen, dass ich Elis hier lobend erwähne, obwohl er, wie gestern auch, auf der September-Bühne fehlte. Severin: "Elis erhält sogar positive Kritik, wenn er nicht auf der Bühne steht". Diese Gegebenheit nehme ich doch gern zum Anlass, die Lesebühne erneut wärmstens zu empfehlen.  

Severin, Tilmann, Elis (Quelle: Lesebühne)
Nach meiner ersten Saison Lesebühne, bei der ich an fast allen zweiten Sonntagen im Monat anwesend war, halte ich mein positives Urteil aufrecht. Es fetzt! Alle drei Lesebühnen-Mitglieder machen Spaß. Severin, der Exil-Wiener, der in Bornheim wohnt (obwohl er, wie wir gestern erfahren durften, kürzlich umgezogen ist), besticht durch die Perspektive des Österreichers auf die Deutschen ("Österreicher sind im Ausland so beliebt, weil sie sowieso für Deutsche gehalten werden, wenn sie sich daneben benehmen"). Tilmanns Erlebnisse als Reiseführer in Berlin werden nur von seinen Liedern getoppt. Besonders angetan hat es mir dabei sein Lied "Burnout", aus dem ich oft selbst im Alltag zitiere: "Früher schlief ich gerne länger, jetzt bin ich Berufsanfänger". Und Elis? Nachdem ich ihn nun tatsächlich auf der Bühne erleben durfte, bestätigt sich das Urteil meiner damaligen Begleitung, die schon seit mindestens 1732 Fan der Lesebühne ist: Ja, er ist der Beste. Und ja, das liegt an der Portion Wahnsinn. 



Natürlich waren nicht alle Lesebühnen gut, es gab auch schwächere Abende: 
  • Wenn Severin ein Lied vorträgt, das noch nicht fertig ist, er also Text, aber noch keine Musik hat, dann hätte das Lied sicher auch noch bis zum Oktober warten können. Und wenn er dann ein zweites Lied singt, welches schon so alt ist, dass er Schwierigkeiten hat, sich an den Text zu erinnern, dann hat eben jene Freundin, die mich auch gestern wieder begleitete, vielleicht gar nicht mal so unrecht: "Severin und Lieder, das passt einfach nicht zusammen"
  • Wenn der gestrige Gast Anselm Neft deutlich raushängen lässt, dass er mit dem Ponyhof-Publikum eher weniger klar kommt. Meine Freundin: "Er ist halt eher so der ernste Germanist." - "Wie meinst du das?" - "Wer Gryphius zitiert, kann nur ein ernster Germanist sein" Sie meint das übrigens ausschließlich positiv.
  • Wenn Elis (in der letzten Lesebühnen-Saison, gestern war er ja nicht da) an mehreren Abenden die selben (zugegeben sehr guten) Texte vorträgt. Macht sonst nur Andy Strauß beim "Word! Poetry Slam Meets Rap"

Aber es fällt wirklich leicht, solche Schwächen zu verzeihen: Als Großstädter erfreue ich mich einfach an Liedern wie "Ich bin ein Landproll, wie immer randvoll, Goldkrone, Goldkrone". Nicht nur aufgrund seiner Auftritte vor dörflichen Kulturvereinen regt Tilmann an, hässlichen Menschen einfach mal zu sagen, dass sie scheiße aussehen. Natürlich völlig wertfrei, ist ja klar! Und als Student im 287. Semester freue ich mich ebenso über Geschichten aus dem (längst vergangenen) Uni-Alltag des zweiten Gastes Christian Ritter aus seinem Buch "Kopfhörer raus, das ist klausurrelevant". Daher fällt es mir leicht zu sagen: Ja, ich schenke der Lesebühne auch 2013/2014 mein Vertrauen. In der Hoffnung, dass der Hubschrauber endlich zur Landung ansetzt.  



Aucun commentaire: