20 septembre 2011

„Hoecker, Sie sind raus“ oder: Wie man eine Wohnung in Frankfurt findet, Part II

Ich war naiv. Davon auszugehen, dass eine unter sechs Wohnungen schon passen wird, war falsch. Dass sich alle Leute melden würden, zumindest um mir abzusagen, war auch so ein Fehlschluss. Wer keine Hobbys hat, sucht sich welche und mein neues schimpft sich wohl WG-Crawl.

+++ Leider habe ich das Zimmer jemand anderem gegeben. Ich wünsche dir aber trotzdem noch viel Erfolg bei der Suche +++

Humor ist, wenn man trotzdem lacht. So plante ich, noch bevor ich von allen Leuten eine Rückmeldung erhalten habe (von einer gewissen Dame habe ich bis heute noch keine…) meinen nächsten Frankfurt-Trip. Diesmal traf ich u.a. sehr coole Polizei-Azubis, kleine Emo-Mädels (bei denen hätte ich dann wohl bald selbst neue Mitbewohner suchen müssen…) und einen Typen, der wahrscheinlich mehr Mäuse, Hamster und andere Kleintiere als Unterhosen hatte. Ich meine das alles (fast) wertfrei, denn immerhin ist es weniger an mir, meine  zukünftige Wohnung auszusuchen, sondern an den anderen, mich auszusuchen. 

+++ Nach reiflicher Überlegung haben wir uns für jemand anderes als neuen  Mitbewohner entschieden. Wir wünschen Dir dennoch alles erdenklich Gute und viel Glück bei der Suche nach einer neuen Bleibe +++
 
Okay - je mehr Wohnungen man sich anschaut, umso mehr potentielle negative Rückmeldungen erhält man auch. Doch zum Glück werden die Absagen nicht nur zahlreicher, sondern auch freundlicher. Diesmal standen neun Wohnungen auf meiner Liste. Dafür hatte ich drei Tage Zeit und dementsprechend auch einige Lücken im Zeitplan. Was macht man zwischen den Besichtigungen, wenn man so ein bis zwei Stunden Zeit hat? Eis essen. Den Spiegel lesen. Dom besichtigen. Leute beobachten. Eine Hose für sieben Euro (!) bei Primark (!!) kaufen. Inzwischen war ich wohl in 50% aller Frankfurter Neighborhoods und habe die Stadt vom 200m hohen Main-Tower von oben betrachtet. Erkenntnis: Frankfurt ist entgegen seinem Ruf echt schön. Ich freue mich auf diese Stadt.

+++ Wir haben uns für jemand anderen entschieden. Wir wünschen dir natürlich weiterhin viel Glück bei der Wohnungssuche, oder besser:  Wohnungsfindung +++

Es gibt viele gruselige Typen, die in dieser Stadt unterwegs sind. Daneben machte ich aber auch die eine oder andere nette Begegnung. Als ich im Supermarkt feststellen musste, dass ich nicht mal mehr genug Geld hatte, um die billigste Flasche Federweißer für meine Unterkunft als Dankeschön zu erwerben, sollte folgendes Gespräch beginnen: - „Wie viel fehlt denn?“ - „Zehn Cent.“ - „Kleiner hab ich es nicht.“, sagte die nette Seele und drückte mir einen Euro in die Hand…

+++ Hier kommt die allseits verhasste Mail. Wir haben uns leider für jemand anderes entschieden. Es nervt, ich weiß, ich habe auch viele Absagen bekommen, aber bei mir hat's auch noch geklappt! +++

Von A nach B zu kommen ist wohl in jeder Stadt teuer. Nach fünfmaligem Erwerb eines Tagestickets fragte mich eine Mitbewerberin (ja, auch diesmal blieben mir die Casting-Situationen nicht erspart), warum ich das Semesterticket denn noch nicht abgeholt hätte. Naja – vielleicht komme ich ja nur aus der ostdeutschen Provinz, aber bei uns beginnt das Semester erst ab Oktober. Ist in Frankfurt auch so, nur das Semesterticket gilt schon ab 01. September. Hm – gut zu wissen.  

+++ Es tut uns wirklich leid, aber wir haben das Zimmer an eine andere Bewerberin vergeben! Die Entscheidung fiel uns wirklich schwer und wir hoffen, dass du trotzdem noch ein schönes Zimmer findest. +++

Und am Ende jedes Tages kommt dieses dumpfe Magengefühl zurück (s.u.) ... Wie viele Absagen kann man noch ertragen? Einen dritter WG-Marathon wäre einfach nur schrecklich. Und wie sehe Plan D aus? Doch dann ist es blitzartig verschwunden, dieses Gefühl, denn tatsächlich geschehen ab und zu noch Zeichen und Wunder...

+++ Hier die versprochene, schnelle Antwort: wenn du magst, kannst du bei uns einziehen. +++
Diesmal also kein Cliffhanger.

(Teil 1: "Der Schwächste fliegt")

13 septembre 2011

„Der Schwächste fliegt“ oder: Wie man eine Wohnung in Frankfurt findet, Part I

Am Anfang war das Motivationsschreiben. Sechs Mal habe ich verschiedene Universitäten davon zu überzeugen versucht, dass genau ihr (und nur ihr) Masterprogramm meinen Wünschen entspricht, warum genau ich zu genau diesem Studium passe und warum ich so super motiviert bin. Labern kann ich zwar recht gut, doch natürlich war das schwierig. In Frankfurt/Main angenommen, wartete jedoch noch eine viel größere Herausforderung auf mich: Die Wohnungssuche.

Leipzig mit seinem ca. 20%igem Wohnungsleerstand ist ein Witz gegen Frankfurt. Die Nachfolge für mein Zimmer hier gestaltet sich entsprechend alles andere als leicht. Geeignete Leute, denen wir zusagen, wollen die Wohnung nicht. In Frankfurt hingegen erscheint es, als wäre eine WG-Zusage schwerer zu ergattern als ein Lotto-Gewinn. Zunächst sind da die Mietpreise. Anderthalb bis doppelt so viel Miete wie in Leipzig zahlt man für ein kleineres Zimmer; folglich schließt man einen großen Teil des Angebots schon aus, wenn man sich ein Miet-Limit setzt. Weiterhin ist nur von einer 10%igen Feedback-Quote auszugehen, sprich: Wenn ich zehn Anfragen abschicke, kommt eine Antwort zurück – und die kann dann durchaus auch lauten: „Tut mir leid, aber das Zimmer ist inzwischen schon vergeben“.

Mit viel Geduld habe ich mir dann doch ein umfangreiches Besichtigungsprogramm zusammenstellen können. Dabei sind natürlich Zeiten leichter zu koordinieren als Orte, sodass ich von einem Ende der Stadt gern mal zum anderen Ende und wieder zurück gefahren bin. Frühes Aufstehen am Sonntag und 60minütige Straßenbahn-Fahrt nach Fechenheim ersparen einem leider nicht ein freundliches „Ne… sorry, ich hab jetzt gestern schon jemand anderem zugesagt.“ ... Ist doch kein Problem – ich hab ja Zeit und suuuuper gute Laune – eine Vorwarnung ist in Zeiten von Web 2.0 und Mobiltelefonen auch  nicht zu erwarten....

Wird einem dann doch nicht die Tür vor der Nase zugeschlagen, stehen Wohnungsrundgang und Kennenlern-Gespräch an. Und das immer und immer wieder. Tabus gibt’s dabei keine, Fragen aller Art gilt es zu beantworten:

Verhalten in Prüfungszeiten? Äh…
Handwerkliche Fähigkeiten? Naja…
Lautstärke des Subwoofers? Regelbar.
Sauberkeit? Regelbar. 
Kochkunst? Vorhanden.
Meinung zum Solidaritätszuschlag? Peinliche Pause.
Besonders angenehm sind sogenannte Mitbewohner-Castings mit mehreren Leuten, die alle in dieses eine Zimmer wollen. („und glaub mir, ich bin eigentlich auch kein fan von solchen wg-"castings", aber wir werden euch zu dritt einladen.“) Die Ärmel werden hochgekrempelt, die Nackenhaare stellen sich auf und die Gladiatorenkämpfe können beginnen: Geheucheltes Interesse für deine Mitbewerber, aufrechte Sitzhaltung, kleiner Gag am Ende des Satzes, die hochgezogene Augenbraue und weitere Mittel aus der Trickkiste. Bin ich jetzt im Recall? 

Dann gibt es da noch die Informatik-Studenten – „Irgendwann wird das mit der Konversation schwer“ (Klischee erfüllt – gilt natürlich nicht für bekannte Azubis ;)  - die Stewardessen – „Wir wollen schlafen!“ und die Kuschel-WGs – „Alles kann, nichts muss.“ Am Ende des Tages stellt sich dann dieses blöde Bauchgefühl ein, wenn man nicht weiß, ob der persönliche Favorit einen auch favorisiert...

Fortsetzung folgt. Leider. (Teil 2 "Hoecker, sie sind raus")