10 avril 2012

Blogschau: Keine Chance gegen Technik, Kochen und Mode?

Angefangen als einer der Millionen "Ich-bin-dann-mal-im-Ausland-und-möchte-euch-das-auf-die-Nase-binden"-Tagebücher findet man auf dem Blog, den ich heute vorstellen möchte, inzwischen ein riesiges Themenspektrum. USA, Stadt, Reisen, Politik, Kultur - so die Top Five der Labels. Leider findet man zu den Themen "Russisch", "young/and/lost" oder "George Clooney" nur sehr wenig - hoffentlich ändert das Blogger bald, der unter dem Künstlernamen Renard Teipelke schreibt.

Festhalten an der Minderheitenmeinung bis zur Lächerlichkeit?

Seine besten Zeilen findet man wohl, wenn er der Meinung ist, eine Minderheitenposition zu vertreten. Als einer der letzten Fans der Harald Schmidt Show bedauert er "was die anderen nicht kapieren (wollen)" und rechnet dabei leidenschaftlich mit dem System der Quotenmessung, dem deutschen Fernsehverhalten und den Kommentaren der Medien zum Ende des "besten deutschen Entertainers" ab:

"Dennoch hat der User Recht, dass die Harald Schmidt Show auf ein bestimmtes Publikum abzielt – ein Publikum, welches sich auch über das Internet amerikanische TV-Serien (im Original) anschaut, weil sie hierzulande nicht von den Sendern gekauft, ewig nicht gezeigt oder katastrophal synchronisiert werden. Trotz der internen und externen Hilferufe hat sich in deutschen Senderzentralen nichts an der Sicht geändert, die Zuschauer seien dumm und dürften nur mit dem schlichtesten Programminhalten bedient werden."

Persönlichkeit und Disziplin

Durch und durch persönlich wird es, wenn Renard Teipelke (vermutlich auch als einer der Letzten) seine Vorsätze fürs neue Jahr erläutert und diese auch noch einhält. Nun kann man an der Sinnhaftigkeit des Zähneputzens mit der linken Hand zwar zweifeln, der Verzicht auf die Anschaffung neuer Kleidung ist jedoch nicht nur in höchstem Maße lobenswert sondern vermutlich auch ein Vorsatz, an dem so ziemlich jeder scheitern würde.

Auch die Kategorie "Renard in Gefahr" verspricht Unterhaltung pur. Und so ist der Versuch, den gnadenlosen Türsteher des Berliner Clubs Berghain zu überwinden, sogar von Erfolg gekrönt:

"Die hübsche 18-Jährige kommt nicht rein. Die Gruppe hipper Spanier muss weiterziehen. Das ältere Paar kommt rein. Das ordentliche Pärchen wird abgewiesen. Die beiden hübschen Alternativfrauen kommen nicht rein…und dann, ja dann, wird doch tatsächlich dieser Typ reingelassen: braune langweilige Winterhosen, braune alte No-Name-Schuhe, Wintermütze und Standardwinterjacke. Unglaublich! Sie quatschen auf dem Weg zur Tür des ehemals oder vielleicht immer noch besten und legendärsten Elektroclubs der Welt und dann kommen sie als eine der wenigen zu dieser Uhrzeit ins Berghain rein. [...] der Typ, der, nach dem was man so über die Türpolitik des Berghain liest, hätte nie reinkommen dürfen, das war meine (verdammt glückliche) Wenigkeit."

Von Listen und Rankings

Wenn der Blogger eins liebt, sind es Ranking. So kührt er nicht nur jedes Jahr „This Year’s Watch Out Person“- wobei er mit der zweimaligen Kür George W. Bush und Mahmoud Ahmadinejads reichlich unkreativ erscheint - sondern auch die für ihn besten Biersorten Deutschland und der Welt in Kategorien wie etwa "Kräftigkeit und Männlichkeit", "Charakter und Wiedererkennungswert", "Chillfaktor und Erfrischungseffekt" oder "Mir wird schlecht". Dass man hier nicht mit allem einverstanden ist, liegt in der Natur eines Rankings. Bei solch erfrischend geschriebenen Artikeln mit hohem Grad an Wiedererkennungswert wünscht man sich jedoch mehr davon.


Und dann wird der auch noch politisch...  

Die Analyse der Berliner Wahlkampfs bzw. der Wahlwerbung ist dabei nur einer der langweiligeren Posts, denn die Inhaltsleere der Parteislogans liegt auf der Hand. Wenn Teipelke uns jedoch erklärt, warum Universitäten links sein müssen, dann lesen wir ein leidenschaftliches Plädoyer eines sehr kritisch denkenden Menschens, dem die zunehmende Masse der sich selbst als "unpolitisch" bezeichnenden Menschen gehörig auf die Nerven geht:
"Es ist unglaublich schade, aber die Universität scheint der letzte Zufluchtsort für offenes, kritisches Denken zu sein – zumindest  ist dies mein Eindruck aus persönlichen Erfahrungen in Deutschland und den USA. Ich ziele überhaupt nicht auf eine Bekämpfung des Staates, des Kapitalismus‘, der Religion oder der Finanzmärkte. Aber es ist bedrückend, wie angepasst die Menschen sind, sobald sie ihre 20er hinter sich gelassen haben und in einer Institution aufgegangen sind. Wer einmal an Familie, Beruf, Wohnung und Altersvorsorge arbeitet, ziert sich vor allzu großen Veränderungen, die ihn im ‚schlimmsten‘ Fall auch selbst treffen könnten. Da gilt es zu bewahren. Das könnte man als Konservatismus bezeichnen."

Und so singe ich ein Loblied auf diesen Blog, der gerade durch sein breites Themenspektrum gefällt. Natürlich ist das genau sein Problem. Solche Generalisten-Blogs interessieren ja keinen und gehen in den themenspezifischen Blogs unter, die sich etwa mit Technik, Kochen oder Mode beschäftigen. Wer sich selbst ein Bild machen möchte, dem sei der Blick auf renardteipelke.blogspot.com wärmstens ans Herz gelegt.