12 septembre 2014

U-Bahn-Gespräche #6

Im Sommer und noch dazu mit neuem Fahrrad gibt es nur wenige Gründe, den ÖPNV zu benutzen - außer: es regnet draußen "Katzen und Hunde". Skurrile Gespräche wecken dann allerdings doch die Erinnerung, dass es in der U-Bahn mitunter ganz witzig zugehen kann.   
 

Die Sommerferien sind vorbei. Es wird wieder voller und hektischer auf den Straßen. Wenn die wandelnden Ranzen nicht gerade mit dem Helikopter zur Schule gebracht werden, verstopfen sie die eh schon hoffnungslos überfüllten U-Bahnen. Die schiere Masse sorgt nicht nur für viel zu engen Körperkontakt mit Personen, denen man sonst nicht mal im Mickey-Mouse-Kostüm die Hand schütteln würde, sondern auch für indirekte und direkte Teilnahme an fremden Gesprächen. Will man das? ... ja.  

Gespräch#6 in der U-Bahn (passiv):
 
- A: Ist die behindert oder was?
- B: Ja meine Mutter dreht auch voll am Rad.
- A: Ey, die so: "du machst schon wieder nix für die Schule. Wie letztes Jahr" ... In der ersten Woche oder was? Die spinnt doch.
- B: Als ob wir da was auf hätten.
- A: Ich hab ihr gesagt, ich streng mich dieses Jahr mehr an. Und die kackt mich gleich.
- B: In der ersten Woche oder was?
- A: Ja, als ob da irgendwas wäre.
- B: Ja, meine Mutter auch so "mach Hausaufgaben!", ich so "wir haben keine auf" und die glaubt mir nicht.
- A: In der ersten Woche ey.
- B: Die checkt das nicht.
- A: Ja, die wollt mich gestern nicht mal rauslassen. Dabei bin ich extra hoch, damit sie sieht, mit wem ich unterwegs bin.
- B: Alles wegen Schule oder was?
- A: Ja, dabei haben wir nix auf. Ist doch erste Woche.
- B: Die checkt das einfach nicht.
- A: Aber ich will mich echt mehr anstrengen dieses Jahr. Aber noch nicht erste Woche.
- B: Da haben wir doch eh nix auf.
 
(Längere Pause. Vermutlich stellen beide gerade fest, dass ein nochmaliges Wiederholen der immer selben Sätze das Gespräch nicht weiterführen würde. Andernfalls hätte ich sie darauf hingewiesen. Folgendes Ende des herzergreifenden Dialogs könnte man ihnen aber auch nicht besser in den Mund legen.)

- B: Wir müssen raus, Holzhausenstraße.
- A: Boah, kein Bock auf Schule. Ist voll viel dieses Jahr.
- B: Ich auch nicht.
 
Die Banalität des Alltags. Schön. Aber irgendwie doch lieber Fahrrad.


6 août 2014

"Vorsicht, fickende Elche", oder: Wie ich plötzlich jede Woche wandern ging

Damals, im Familienurlaub, stand eine Aktivität besonders hoch im Kurs: das Wandern. Über Wiesen und Felder, Berge und Wälder, Schluchten und Buchten: bevorzugt dabei die Strecken, die wir in den letzten fünf Jahren schon zwanzigmal gelaufen sind. Als das Wandern allmählich vom Fahrrad fahren abgelöst wurde, verabschiedete ich mich so langsam aus den Familienurlauben. Als Teenie werden die irgendwann einfach uncool, gar sozial verpönt bei der eigenen Peer-Group. Nun, da ich langsam stark auf die 30 zugehe, gewinnt die längst überwunden geglaubte Aktivität wieder an Bedeutung.
 
Alles fing an, als ich erfuhr, dass man in Frankfurt, in Hessen und darüber hinaus gewissermaßen dazu verpflichtet ist, am 1. Mai einen (Wander-)Ausflug zu machen. Meinen ersten 1. Mai im goldenen Westen sollte ich im Kreis Bergstraße auf der Weinlagenwanderung verbringen. Wein ließ mich hellhörig werden. An einem Feiertag wandern und Alkohol trinken. Das kannte ich doch aus dem testosterongesteuerten Osten, wo man(n) an Christi Himmelfahrt seine Männlichkeit zelebriert und dabei ganz unmännlich gern mal mit dem Kajak kentert oder einen Salto vom Fahrrad in den Straßengraben macht. Hab ich zumindest mal gehört. Die Weinlagenwanderung ist toll, nur sollte man sie auf keinen Fall am 1. Mai machen. Wenn man Glück hat, hat man an sonnenklaren Tagen sogar einen wunderschönen Ausblick auf das Atomkraftwerk Biblis. Wenn das mal keine Reise wert ist! 


 
Zum Frankfurter Pflichtprogramm gehört daneben auch der jährliche Ausflug auf den Feldberg. Hat man erst mal die knapp 45minütige Fahrt mit der "U"-Bahn Richtung Oberursel-Hohemark überstanden, von wo der Aufstieg idealerweise beginnt, wird einem schlagartig klar, dass man hier im reicheren Teil des sowieso schon gut betuchten Frankfurter Speckgürtels angekommen ist. Diese Erkenntnis wird beim erfolgten Abstieg in Richtung Königstein nochmals verstärkt, wie schon Maria und Josef schmerzlich erfahren mussten (siehe vielbeachteter Zeit-Artikel, vom 26.12.2011). Falls man den Feldberg-Ausflug trotz der raketenartig herabschießenden Mountainbiker überlebt hat, kann man im lokalen Café zwischen Säulengang und Marmorterrassen bei einem Soja-Latte Macciato und Apfelstrudel für 113,50 Euro dem kläglichen Versuch der örtlichen High Society lauschen, ihre Kinder zweisprachig aufwachsen zu lassen, also hessisch und denglisch (bzw. henglisch muss es wohl in diesem Fall heißen).

Apropos Leute mit überzogenem Selbstbewusstsein: als (Groß-)Städter meint man manchmal, die als selbstverständlich wahrgenommenen Standards müssten überall gelten. So wollten wir uns nach abgeschlossener 25km-Wanderung entlang des Rheins den kleinen Luxus erlauben, den noch anstehenden 45minütigen Aufstieg zur Jugendherberge durch eine Busfahrt zu ersetzen. Smartphone raus, alles klar: Öffi-App schickt uns mit dem Regio in den Nachbarort, von dort bringt uns der Bus auf den Berg. Bei entspannten acht Minuten Umsteigezeit dürfte ja wohl nichts schief gehen. Denkste! Am Haltestellenschild stand plötzlich "ALB". Während ich noch überlegte, welchen jugendlichen Slang ich nach YOLO und SWAG schon wieder nicht mitbekommen hatte, las ich aus den entsetzen Gesichtern meiner Wander-Selbsthilfe-Gruppe, dass es sich hierbei um einen Anruflinienbus handelte, den man - falls man auf die abwegige Idee kommen sollte, ihn benutzen zu wollen - anderthalb Stunden vorher anrufen musste. Naja, was soll's. Die Zeit, bis das Taxi kam, verbrachten wir im örtlichen Bubble-Tea-Laden und luden die aktuellen Schnappschüsse bei Instagram hoch. Und Öffi wusste es ja immerhin auch nicht besser.


Aus Fehlern lernt man, hab ich gehört. Und so bereiteten wir uns beim Nibelungensteig ungleich besser vor. Die passenden ÖPNV-Verbindungen suchten wir uns diesmal sogar einen Tag(!) vorher raus und druckten diese aus(!!). Nach dreimaligem Verlaufen inklusive Schluss-Spurt kamen wir an der finalen Bushaltestelle an. Pointe diesmal: Bus fährt nur von Montag bis Freitag. Gestrandet waren wir in einem 100-Seelen-Dorf, ohne dass wir eine dieser Seelen zu Gesicht bekamen, wir hatten keinen Handy-Empfang und es gab nicht mal einen Bubble-Tea-Laden. Die ältere Dame, die uns gefühlte drei Stunden später (die Wölfe heulten schon) für zwei Waffeln in den nächsten Ort mit einer Busverbindung zurück in die Zivilisation fuhr, hat sich sofort einen Platz in meiner Top5 der nettesten Menschen im goldenen Westen gesichert - gleich hinter der netten Seele, die mir damals einen Federweißer ausgab, als ich ihn dringend benötigte.

Fazit: Es gibt wohl kaum eine größere Herausforderung als zu wandern. Dies stößt nur leider nicht überall auf die gebührende Anerkennung. Als wir neulich am Vierwaldstädter See mit vor Stolz geschwollener Brust von unserer Wanderung auf dem "Weg der Schweiz" erzählten, meinten unsere Schweizer Mitcamper: "Das ist doch kein Wandern! Da hat's nicht mal einen Berg!" Was soll man dazu noch sagen? Die nächste Wanderung kommt bestimmt. Und sei es nur, um herauszufinden, dass Lorelei in Wirklichkeit ein Mann war, im passenden Moment in einer Felsspalte zu pupsen oder den wunderschönen Ausblick aufs ortsnahe Atomkraftwerk zu genießen.  


31 juillet 2014

Deutschboden

Moritz von Uslar - arroganter Wessi, Journalist, Bildungsbürger, Großstädter trifft ihn: den ostdeutschen Proll - böse, widerlich, asozial, beinhart, abstoßend. Kann das gut gehen? Die größte Überraschung, so Uslar am Ende seines Buches, sei es, dass er in der Zeit keinen auf die Fresse bekommen hat.
 
Drei Monate will Uslar in das Zusammenleben in der ostdeutschen Provinz eintauchen und teilnehmend beobachten. Dabei ist ihm der exakte Ort egal, es soll eine Kleinstadt sein, größer als ein Dorf, kleiner als eine Stadt. Zu Beginn versucht der Autor seinen Berliner Freunden bei Steak und Champagner den Plan zu erklären, von dem er selbst noch nicht ganz überzeugt ist: 
 

"Ich haue ab von hier, dort hin, wo kaum ein Mensch je vor uns war - nach Hardrockhausen, Osten, nordöstliche Richtung, nicht zu weit weg, vielleicht eine Stunde von Berlin entfernt. Dort suche ich mir einen Boxclub, trainiere mit, hänge rum und tue nichts, außer die ganze Zeit nur zuzuhören und zuzugucken, was passiert, und abends stelle ich mich da hin, wo der totale Blödsinn erzählt wird, auf Parkplätze, an Tankstellen, in Pilslokale, und nebenbei erfahre ich alles über des Prolls reine Seele, über Hartz IV, Nazirock, Deutschlands beste Biersorten und die Wurzel der Gegenwart"

 

 
 
Ihn interessiere eigentlich nichts, sagt Uslar. Somit versucht er alle Klischees zunächst wegzudrängen. Gleichzeitig ist ihm klar, dass das nicht mal ansatzweise funktionieren wird. So steht er und inszeniert sich selbst als arrivierter Westdeutscher und zelebriert seine Vorurteile geradezu. Gerade weil er aufgesetztes Gutmenschentum vermeidet, wirkt das Buch authentisch.
 
Für drei Monate zieht er also in die Pension "Haus Heimat" der Stadt Oberhavel (so sein fiktiver Name für die Kleinstadt), wo als einzige Speise "Topfwurst" auf der Karte steht und er zum größten Teil der einzige Gast bleibt. Beim ersten Streifzug durch die "Innenstadt" springt ihm die enorme Anzahl von Nagelstudios ins Auge, die als eine der wenigen Geschäftsformen langfristig zu überleben scheinen. Andere Geschäfte schätzen ihre Überlebenschance oft selbst sehr gering ein oder erweitern ihr Sortiment um kreative Zusatzangebote: die Schneiderei ist gleichzeitig Steuerbüro, in der Videothek kann man Grillzeug erwerben.
 
 
 
In der Dorfkneipe 'Schröder' treffen sich allabendlich die gleichen Männer zum Feierabendbier bzw. zur Feierabendmolle (auch wenn sie oft keinen Feierabend im eigentlich Sinne haben). Hier lernt Uslar Raoul kennen, der für ihn eine Art Türöffner in die Gesellschaft Oberhavels ist. Raoul, Mitglied der Punkrockband '5 Theets Less' (!), ist so was wie der inoffizielle Babo der Oberhavel Mitt-Zwanziger-Dreißiger, die überwiegend ausgebildete Handwerker sind, und nun Hartz-IV-Empfänger mit wenig Perspektive auf einen sozialen Aufstieg. Dank Raouls Standing darf Uslar fortan offen mit Aufnahmegerät mit den jungen, männlichen Oberhavelern abhängen (natürlich herrscht Frauenmangel). Highlight des Buches ist dabei das Kapitel über den Abend an der Aral-Tankstelle, an dem im Grunde nichts und doch soviel passiert:


"Ich fragte Eric, warum alle diese Freunde so komplett anders waren als er, sein Bruder und die Jungs in der Band. Er sah mich an durch seine Sonnenbrillengläser. Er war überrascht. Auch amüsiert. Ihn interessierte die Frage.
Eric: Sind die so anders?
Ich bestätigte: Die sind völlig anders. Ja.
(...)
Eric erklärte: Ich glaube, das liegt daran, dass diese Jungs jünger sind als wir. Er Eric, sei 25, André, Fred und die anderen seien 20 und 21. Jahre. Es seien nur drei, vier Jahre Unterschied, aber diese Jahre machten viel aus.
(...)
Eric wollte noch etwas sagen. Ich sah, dass die leichte Anstrengung im Kopf etwas war, was ihm Freude bereitete, das Nachdenken lag ihm, bloß bekam Eric die Dinge, die in seinem Kopf waren, manchmal nicht in Worte gefasst und ausgespuckt. Seine abgeblätterten Fingernägel. Ich dachte: Ihr dummen Klischees, ihr seid doch alle wahr. Einer, der sich in der Kleinstadt die Fingernägel schwarz lackierte, der grübelte eben auch gerne nach, der wollte mehr wissen, wollte ein bisschen nachdenklich sein.
Eric: Die Jungs, verstehst du, haben die DDR nicht mehr miterlebt. Aber Rampa, Raoul und ich, wir kommen von früher. Wir haben das alte Deutschland noch mitgemacht."

***

"Die Schnitzelmeisterschaft, so erfuhr der Reporter, war das andere Riesending, der zweite gesetzte Termin im Sommerkalender der Kleinstadt. Zwanzig, dreißig Jungs nahmen an einer Festtafel im Restaurant Larifari Platz; dann ging es simpel darum, so viel paniertes Schnitzel wie nur irgend möglich in sich hineinzufressen. (...) dem Sieger winkten 200 Euro, dem zweiten Platz einhundert, dem dritten 50 Euro. Im letzten Jahr hatte Fred mit 1,3 Kilo den ersten Platz belegt, in diesem Jahr, so Raoul, würde sich die Tankstelle praktisch geschlossen anmelden, man wolle alle drei ersten Plätze heim nach Oberhavel holen."

***

"Wie in der Gaststätte Schröder, im Probenraum, bei jeder Autofahrt (...), herrschte auch auf der Aral-Tankstelle Witzzwang. Eine Wortmeldung an deren Ende nicht laut wiehernd gelacht werden konnte, muss auch hier als durchgefallen gelten."

***

"Gerüchte, welcher Investor die große Wiese an der Tankstelle kaufen wollte: McDonald's, so wusste einer, wollte kommen. McDonald's, so André, wäre für das Städtchen natürlich ein Hauptgewinn. Rossmann sollte demnächst neben Lidl eröffnen, das wäre für die Mädchen natürlich schön.
Raoul: Hier kommt niemand mehr." 

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"Sein Bericht überzeugt, weil er nicht klüger sein will als das Klischee", schreibt die FAZ. In der Tat verschwand auch meine anfängliche Skepsis über das Aufwärmen alter Klischees und Sozialromantik von Seite zu Seite. "Alte Kacke, gehen mir die Penner, gehen mir die Alkoholiker, Hirntoten, Eingefallenen, Zusammengefallenen und sonst wie Hinüberen und Weggetretenen in diesem Ort auf den Sack“, schreibt Uslar einmal zu Beginn. Diese Ehrlichkeit und der Verzicht auf vermeintliche Moral machen das Buch verdammt glaubwürdig. Von Seite zu Seite findet man die Protagonisten liebenswerter: Wirt Heinz Schröder, die unnahbare Bedienung Maria, Box-Trainer Maik, die Band Raoul, Eric und Rampa und all die anderen Männer von der Tankstelle: Blocky, Schubi, Phase, Hief Lätscha, Hundertzehnprozent und wie sie alle heißen. Sie alle haben sich ihren Platz am Rande der Gesellschaft nicht selbst ausgesucht, sie sind Charaktere mit tristen, aber letztendlich alltäglich-langweiligen Biographien, gefangen zwischen kommunistischer Jugend und teilweise rechter Vergangenheit, arbeitslos, perspektivlos, frauenlos, aber ruhig und im Leben stehend - und Besitzer von aufgemotzten Autos, deren Motor sie allzu gerne aufheulen lassen. Moritz von Uslar selbst wird einem nicht minder sympathisch auf diesen 400 Seiten. Er erwartet zu Beginn nichts aufregendes und findet am Ende nichts spannendes: "Ich war Reporterdarsteller. Mich interessierte eigentlich nichts, das war ja das Geile." Wie er es jedoch schafft, den ganz normalen, eigenartigen, langweiligen Oberhavelern näherzukommen, ihre Charaktere zu zeichnen und ihr ereignisloses Leben eindrucksvoll zu beschreiben, ist schlicht grandios. Deutschboden! Kauft, lest und genießt! Es lohnt sich. Versprochen.


Moritz von Uslar (2010): Deutschboden. Eine teilnehmende Beobachtung. Kiepenheuer & Witsch, Köln. 19,95 Euro.


9 avril 2014

Dragoslav schlägt Kool and the Gang, oder: Wie ich einmal ein Pferderennen besuchte

Hier also ein weiteres Beispiel aus der Reihe "Ich geh ja jetzt stark auf die 30 zu". Tanzen gehen und die Nacht durchmachen war gestern, heute heißt es Pferderennen.

Neulich hab ich von dieser Bürgerinitiative gehört, die sich für den Erhalt der Frankfurter Pferderennbahn einsetzt. Aha, dachte ich, es gibt also eine Rennbahn in Frankfurt. Gut zu wissen. Oder? Warum auch immer Bürgerinitiativen so oft auf die abstruse Idee kommen, sich "Pro Irgendwas" zu nennen, beispielsweise wie diese rassistische Bewegung "Pro NRW", die ja letztendlich immer nur gegen etwas sind, in dem Fall also gegen Ausländer, ist freilich eine andere Frage. Zum Saisonauftakt im Jubiläumsjahr des Frankfurter Renn-Klubs e.V. durfte ich also nicht fehlen und machte mich auf den mühsamen Weg ins ferne Niederrad. 

Wie immer wenn man etwas zum ersten Mal macht, geht es entweder schief oder ist schnell vorbei. Aber lassen wir das. Völlig jungfräulich zahlten wir also den (zum Glück ermäßigten) Eintritt, bekamen ein Programmheft und irrten sodann völlig ziellos auf dem Gelände rum. Der Reiz des Pferderennens liegt natürlich nicht darin, dass ein bestimmtes Pferd, von dem man Fan ist, gewinnt, sondern jenes, auf das man gesetzt hat. Also etwas so, als würde man immer hoffen, dass der FC Bayern gewinnt, nur weil es wahrscheinlich ist. Das erste Rennen schauten wir uns als neutrale Zuschauer an und siehe da: es gewann das favorisierte Pferd. Ist ja einfach, dachten wir. 

schöne Pferde, schöne Skyline

Beim zweiten Rennen wollten wir also das große Geld machen und setzten e i n e n Euro auf das favorisierte Pferd und siehe da: es wurde nicht mal fünfter. Vielleicht sollte man sich vorher doch mal mit den Regeln beschäftigen oder damit wie man den Wettschein ausfüllt... Es gibt mehrere Wettformen mit unterschiedlichen Logiken, verriet Wikipedia. Je wahrscheinlicher die Gewinnchance, desto geringer fällt auch der erwartbare Gewinn aus. Als Anfänger trauten wir uns jedoch über die beiden Typen "Sieg" (also ein bestimmtes Pferd gewinnt) und "Platz-Zwilling" (zwei Pferde kommen unter die ersten drei Plätze) nicht hinaus. Nach einigen sieglosen Runden gewann ich doch tatsächlich bei einem Euro Einsatz 1,70€. Immerhin ein Anfang. 

Schon bald spürten wir die Sucht in uns größer werden. In fünfzig Prozent der Rennen gewann das Pferd mit der besten Quote (also Sieg wahrscheinlich, Gewinn gering). Darauf konnte man sich folglich nicht verlassen. Neben den Quoten sowie den Prognosen einzelner lokaler Zeitungen konnte man sich vor den Rennen von den Pferden selbst ein Bild machen. Im sogenannten Führring kann man sich Pferd und Reiter anschauen und muss dabei völlig überzeugende Argumente abliefern wie "Das Fell sieht gut aus!", "Auf Sand kommt er besser zurecht" oder "Guter Arsch" So taten es zumindest unsere Nebenmänner und -frauen. Oder man lässt sich einfach von den wunderbaren Namen beeinflussen, hier meine persönliche Top 5:

5. Ambizioso
4. Pleasantpathfinder
3. Earl of Heinz
2. Queenoftheprairie
1. Kool and the Gang

Und dann weißt du es auf einmal. Du sieht dieses Pferd, es sieht so elegant aus ("guter Arsch"), du verliebst dich, es kackt dir vor die Füße und du spürst: Dragoslav wird gewinnen. Du setzt alles auf Sieg (1 Euro), gehst auf die Tribüne, die Pferde galoppieren an dir vorbei, Dragoslav liegt hinten, Enttäuschung macht sich breit, doch dann: Aus. Aus. Aus. Das Rennen ist aus. Dragoslav gewinnt. Mit breiter Brust galoppierst du zum Schalter und holst dir deine 7,60€ ab (auf Dragoslav hatten nicht allzu viele Leute gesetzt).

Fazination Pferderennen. So wichtig wie die meisten Zuschauer sahen wir natürlich nicht aus. Schließlich gehen wir ja auch nicht auf den Golfplatz. Aber sei's drum, ich habe 7,60€ gewonnen. Bei siebenmaligen Einsatz von einem Euro hab ich also Gewinn gemacht. Beim nächsten Mal werden wir sicherlich viel professioneller und kaltschnäuziger rangehen und unglaublich reich werden. Hüh.

2 mars 2014

U-Bahn-Gespräche#5: Der Narbenvergleich (Gastbeitrag)

Vorhang auf, eine Premiere auf diesem Blog: Es folgt der erste Artikel, den ich nicht selbst geschrieben habe. Er fügt sich jedoch ganz wundervoll in die Reihe "U-Bahn-Gespräche" ein, auch wenn das Gespräch im Bus stattfand. Aber wir wollen ja nicht päpstlicher sein, als der Papst es sowieso nicht ist. Viel Spaß beim Busfahren mit Tabea. Aber immer schön vorne einsteigen! 
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Nicht nur in der U-Bahn, auch in den anderen öffentlichen Verkehrsmitteln Frankfurts gibt es tolle Gespräche zu belauschen und darin bin ich ziemlich gut (und neugierig, weswegen die von meinen Erzieherinnen oft als „Rhabarber-Ohren“ beschimpften Lauscher auch immer schön in Richtung der spannendsten Geschichte ausgerichtet sind).

Kommen wir zu einer Begebenheit, die sich vor gar nicht so langer Zeit in meinem Lieblingsbus – der quasi direkt vor meiner Haustür abfährt, wofür ich sehr, sehr dankbar bin – ereignet hat. Eins vorneweg: Es geht um fragliche Essensverabredungen – und um Kaiserschnittnarben. Für die medizinischen Laien unter euch: Das sind die kleineren oder größeren vernarbten Hautregionen im Unterbauchbereich, die nach einer Kaiserschnittgeburt zurück bleiben. Bei der Mutter natürlich, nicht beim Kind.   

Folgende Situation:

Ich steige in den Bus – schön bequem in der Mitte, um den Fahrer so wenig wie möglich mit dem Gedanken zu belasten, dass er eventuell in eine der seltenen, nervenaufreibenden Situationen geraten ist, einen Fahrschein lösen zu müssen. Das setzt die Armen immer mächtig unter Stress und so selten, wie das passiert, kann ich mir nur zu gut vorstellen, dass die Nummern nicht immer gleich zur Hand sind und die Handgriffe alle nicht so gut sitzen und…. Aber na gut, das ist ein anderes Thema. 

Also: Ich steige an der mittleren Tür ein, wo auch Kinderwagen, Fahrräder und Betrunkene einsteigen (also alles, was viel Platz braucht) und quetsche mich an zwei eingeparkten Kinderwägen und den auf dem ausklappbaren Sitz geparkten Mädels vorbei in Richtung vordere Bushälfte, wo ich mich im Vierersitz niederlasse und überlege, ob die beiden jungen Mädels neben den Kinderwägen die Muttis oder die Babysitterinnen der beiden Kleinen sind. Ja, innerlich habe ich bereits die Stimme meiner Oma in meinen Gedanken gehört, die sich bei der Theorie, dass die Mädels, die etwa 14 oder 15 Jahre alt waren, die Mütter sein könnten, eine Hand vor den Mund schlägt und sagt: „So jung!“ Meine Dorfherkunft schlägt wieder durch, was soll ich tun? Ganz einfach: Ohren aufsperren. Gedacht, getan. 

Eine der beiden Mädels telefoniert.
- Mädel 1: Ja, aber es wäre total toll, wenn du den Kleinen  heute Abend nehmen könntest. …  Ja, ich kann mit meiner Mutter heute Abend mal essen gehen, das wäre toll. … Bitte! ...  Hmh. … Ach bitte, dann könnten wir essen gehen! … Ja, wann könnte ich dir den Kleinen denn vorbei bringen? … Oh, danke, super. … Ja, dann machen wir das so. Danke! … Tschüss.“ 

(offensichtlich legt sie hier auf und wendet sich an ihre Nachbarin) 

- Mädel 1: Oh, Gott sei Dank, sie nimmt ihn. Wie machen wir das also jetzt später? Am besten, ich nehme meine Sachen mit und ziehe mich dann bei dir um.
- Mädel 2: Ja, dann machen wir das so. Das klingt doch gut.
- Mädel 1: Dann ziehe ich mich erst bei dir um, okay. Oah, das wird so gut! Endlich mal wieder feiern!
Mein Gehirn arbeitet. War nicht eben noch die Rede von einem Essen mit Mutti gewesen, für das man „den Kleinen“ gerne woanders sicher aufgehoben wissen will? – Na gut, damit kann ich noch gut leben. Wenn die Umstände so sind, dass ein offensichtlich noch pubertäres Mädchen sich ihr einmaliges Feiern erschwindeln muss – naja, auch junge Muttis (dieser Verdacht war für mich mittlerweile erhärtet) brauchen ihre Kindheit. In der Zeit meiner Überlegungen ist das Gespräch offenbar fortgesetzt worden, denn als ich wieder hinhöre…

- Mädel 1: Wie ist eigentlich deine Narbe?

Ich (gedanklich): Hä?

- Mädel 1: Also vom Kaiserschnitt.

 Ich (gedanklich wieder auf der Höhe): Achso.
- Mädel 2: Naja, schau mal (man hört friemeln)…
Ich (gedanklich erstaunt kichernd): Im Ernst? Narbe auspacken im Bus? … Stark.
- Mädel 2: Ich weiß nicht, die ist irgendwie ein bisschen dick.
- Mädel 1: Meine ist toll geworden. Guck mal. (man hört friemeln)

Gedanklich im Lachflash ob des öffentlichen Narbenvergleichs am Unterbauch zweier 15-jähriger, wende ich meine Gedanken von dem offensichtlich recht intimen Gespräch ab und konzentriere mich auf eine andere Gruppe jugendlicher Mädels, die sich über ihre ersten Praktikumserfahrungen unterhielten. So unterschiedlich können Vergleiche im Bus sein…

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To be continued? Ob demnächst weitere Gespräche aus dem Bus folgen werden, wird sich zeigen. Ich würde mich freuen.

20 février 2014

"Ich glaube, ich habe die Frage nicht verstanden" oder: Wie ich einmal eine Master-Arbeit schrieb

Die Einführung des neuen Studiensystems hat viele Vor- und Nachteile. Zum Beispiel kann ich beim Schreiben meiner Master-Arbeit auf umfassende Erfahrung zurückgreifen, schließlich habe ich damals bereits eine Abschlussarbeit verfasst. Ob das jetzt ein Vor- oder Nachteil ist, bleibt jedem selbst überlassen.

Die Bachelor-Arbeit war natürlich nur eine Aufwärm-Übung. Zwar saß ich auch damals lange Zeit an diesen meinen geistigen Ergüssen, über die fragt man sich allerdings aus heutiger Perspektive mitunter: "Warum eigentlich?". Naja, zumindest war sie nicht so grausig wie meine allererste Hausarbeit, in der ich frisch an der Uni mit rechtskonservativen Argumenten gegen den EU-Beitritt der Türkei plädierte. Vermutlich werde ich mir dieselbe Frage in zwei Jahren mit Blick auf meine Master-Arbeit stellen. Vorerst versuche ich jedoch noch Ordnung in meine super wichtigen, unglaublich wirren Gedanken zu bringen.

Im Gegensatz zur Aufwärm-Übung beinhaltet meine zweite Thesis einen empirischen Teil. Methodisch wird der dann untersucht mittels problemzentrierter, teil-standardisierter, leitfadengestützter (Experten-) Interviews mit narrativen Elementen. Aha. Gesundheit. Wenn man die dann geführt hat, transkribiert und auswertet, fragt man sich jedoch manchmal, ob deutsch wirklich die eigene Muttersprache ist. Hört sich oftmals nämlich nicht so an.


Beispiel 1: Aus Subjekt, Prädikat, Objekt besteht ein Satz, hab ich in der Schule gelernt. Wirklich?

- Ich: "Und wenn jetzt meinetwegen, sagen wir mal, ein Standort rationalisiert wird und aber die Mitarbeiter nicht entlassen in dem Sinne, also schon entlassen werden, aber die gleiche Anzahl an Mitarbeitern wieder an einem anderen Standort aufgenommen werden neu. Ist ja zumindest mal - vielleicht ist es ein utopischen Szenario - aber..."
- Interviewpartner: "Ich glaube, ich habe die Frage nicht verstanden."



Beispiel 2: Manchmal verstehen die Interviewten jedoch auch den größten Kauderwelsch:

- Ich: "Ist das quasi eher so, gut, hier vielleicht nicht, also so, wo quasi die Produktion gespiegelt ist, dass man ähnliche Teile herstellt oder vielleicht auch ähnliche..."
- Interviewpartner: "Das ist ein heikles Thema."           



Beispiel 3: Schwierig wird es natürlich, wenn man sich in fremden Sprachen unterhält, z.B. denglisch:

- Ich: Yes so I am also interested in company restructuring or relocation as you know. And I'm sure that relocation always causes opposition or Widerstand on the ground of course. Äh... you know what I mean... But from a European point of view does it really matter where the jobs are located? So wether they are in Poland or in Germany or in Spain and so on?   



Beispiel 4: Nur was soll man machen, wenn die Interviewpartner verwirrter sind als man selbst?   

- Ich: Wie wichtig sind Mitglieder für eine Gewerkschaft?   
- Interviewpartner: Wie wichtig ist bei Ihnen die Uni, wie wichtig ist Ihr Professor?           
- Ich: Also ich frag das deshalb, weil die deutschen Gewerkschaften immer als recht stark gelten aufgrund der Sozialpartnerschaft, aufgrund dieser institutionell zugesicherten Stellung, Tarifverhandlungen etc. Während das in anderen Ländern ja nicht so ist, und da eher wirklich die Masse der Mitglieder entscheidend ist, die dann eben...          
- Interviewpartner: [redet ohne Punkt und Komma] Hab ich Ihre Frage jetzt beantwortet oder hab ich zuweit ausgeholt?           
- Ich: Ja, also Sie haben sie insofern beantwortet, also Sie haben sie nicht so richtig beantwortet, weil Sie sozusagen nicht gesagt gesagt haben, ob...
- Interviewpartner: Achso, die erste Frage war Mitglieder genau.            
- Ich: Die war sozusagen vorangestellt, aber ja.  



Beispiel 5: Ja/Nein-Fragen sind immer heikel. Aber ein bisschen Mitarbeit ist doch zu erwarten, oder? Nein. 

- Ich: Und wenn du jetzt zum Beispiel erst nach zwei Jahren eingetreten bist, heißt das so die Mehrzahl der normalen Angestellten sind auch nicht gewerkschaftlich organisiert hier?            
- Interviewpartner: Ja.
- Ich: Und ist das ein Problem?
- Interviewpartner: Ja.



Beispiel 6: Richtig böse wird es, wenn der Interviewpartner irgendwie mit dem falschen Fuß aufgestanden ist und anfängt zu pöbeln:

- Interviewpartner: (...)  So als schwammige Allgemeinantwort auf eine schwammige Allgemeinfrage
- Ich: Ist doch super.
***
- Interviewpartner: Also das ist halt, die Frage unterstellt so ein bisschen, dass es vorher nicht gut funktioniert hat.
***
- Interviewpartner: Ich möchte vielleicht trotzdem nochmal eine kurze Sache dazu sagen wollen. Die letzte Frage - ist ja vielleicht schonmal durchgedrungen, also wir verhandeln ja schon mit Unternehmen. Mich hat die Frage ein bisschen stutzig gemacht, weil es so klingt, als sei da noch überhaupt gar nichts da. So darauf wollte ich nochmal kurz drauf verweisen.
- Ich: Okay, ja also ich stelle ja mit den Fragen auch nur Fragen und will gar keine Behauptungen aufstellen, vielleicht manchmal ein bisschen provozieren, aber das war auch schon alles.
- Interviewpartner: Ja, naja manchmal ist ja eine Frage so gestellt, dass man denkt, uups, implizit heißt das ja das und das.


Was soll man da noch sagen? Man bedankt sich für das erfrischende Gespräch und denkt an die alten Zeiten zurück, in denen man noch Arbeiten schreiben konnte, ohne den eigenen Elfenbeinturm zu verlassen. Aber das war ja auch irgendwie langweilig. To be continued?

11 février 2014

U-Bahn-Gespräche #4

Meine Expertise ist gefragt: ich soll einen Rucksack des Outdoor-Herstellers Reuters empfehlen. Mit der Provision melde ich mich dann im Golfclub an und schlichte Streit. In der übrigen Zeit bekämpfe ich die Vermüllung Frankfurts. Dies und vieles mehr erlebt man nur an einem Ort: in der U-Bahn. 

Seit der RMV, je nach Wochentag, mal S-Bahnen und mal U-Bahnen nur eingeschränkt fahren lässt, sind die jeweils übrigen natürlich besonders voll. Wenn man gemütlich nach Hause fahren will, nervt das natürlich. Für die Feldforschung sind das allerdings ideale Verhältnisse.

Gespräch in der U-Bahn#4 (überwiegend passiv)

- A: Die suchen aber nur ab Juni oder Juli.
- B: Da ist doch noch der Abiball.
- A: Ist doch scheißegal.
- B: Ich hab aber schon ein Kleid.
- A: Hat ja keiner gesagt, dass du auch Au-pair machen musst. Ist doch sowieso scheiße, ich hab dich nicht gebeten mitzukommen.
- B: Bist du jetzt die Besitzerin von Neuseeland oder was?
- A: Na nee.
- B: Ich will eh erst im August. Vorher noch bisschen chillen.
- A: Die suchen aber nur ab Juni oder Juli. August ist zu spät.
- B: Aber dann kann ich nicht zum Abiball.
- A: Scheiß auf den Abiball. Wir reden hier von Neuseeland. Hast du nicht der Hobbit gesehen?
- B: Was hat das damit zu tun?
- A: Der spielt in Neuseeland.

(B denkt nach, ihr Gesicht nimmt dabei Züge an, als würde Gollum ihr Abiballkleid tragen.) 

- B: Wenn wir uns bei den gleichen Familien bewerben, dann sind wir ja Konkurrenz.
- A: Du hast eh keine Chance.
- B: Was soll das denn jetzt heißen? Nur weil ich nicht wusste, dass Herr der Ringe in Neuseeland spielt?
- A: Quatsch. Ich hab mich schon bei acht Familien beworben, die Bewerbungsfrist ist fast vorbei. Ist ja auch schon Februar.
- B: Ich will aber erst im August.
- A: HALLO? DAS IST ZU SPÄT. Die suchen nur für Juni und Juli, wie oft soll ich das noch sagen?

(B scheint kurz eingeschüchtert. Ihr Blick trifft meinen, sie merkt, dass ich krampfhaft versuche, nicht zu lachen.)

- B: Finden Sie das lustig? Ich will nunmal zum Abiball.
- Ich: Kann ich verstehen.

Ich merke, ich werde alt. Sie? Ernsthaft?

- B: Und geht auch noch später?
- A: Ja, ich glaube dann wieder ein halbes Jahr später.
- B: Vielleicht kann ich ja dann dein Kind nehmen. Ich deine Nachfolgerin oder so.

(A ist kurz perplex. Sie scheint kein besonderes Interesse daran zu haben, B ihrer zukünftigen Gastfamilie zu empfehlen)

- A: Ich bleibe doch 10 Monate.
- B: Ich dachte, du wolltest noch Work&Travel machen?
- A: Das... entscheide ich dann spontan.

Ich gebe den Kampf gegen mein akutes Bedürfnis zu grinsen auf und steige aus.



18 janvier 2014

"Hände klatschen" oder: Wie ich einmal an einem Sushi-Kurs teilnahm

Ich geh ja jetzt stark auf die 30 zu und da dürfen selbstverständlich dem Alter entsprechende Wochenend-Aktivitäten nicht fehlen. Tanzen gehen und die Nacht durchmachen war gestern, heute heißt es Sushi-Kurs. 

Der Sushi-Kurs war ein Geschenk aus der Kategorie Gutschein, also diese Art von Geschenken, die einem einfällt, wenn man sonst keine Ideen hat, in der Hoffnung, dass der Beschenkte diesen sowieso nicht einlösen wird. Nein, kleiner Scherz, in diesem Fall haben sich die Schenkenden wirklich Gedanken gemacht, wussten sie doch um meine Liebe für Sushi und das gelegentliche Sushi-selbst-Zubereiten. So habe ich also im Januar 2014 den Gutschein aus dem Jahr 2012 schließlich doch noch eingelöst.

Trotzdem macht man sich im Vorfeld so seine Gedanken. Wer nimmt denn sonst an solchen Kursen teil? Sind es die gleichen Leute, die beim Aufguss in der Sauna immer die besonders witzigen Sprüche raushauen? Oder die älteren Herren, die sich im Hochsommer für den Museumsbesuch einen Schal umwerfen und darüber rätseln, in welchem Winkel der Maler den Pinsel aufgesetzt hat? Mein Tipp: Mitfünfziger Singles. Here we go! 


Vor Ort erwarteten mich dann zwei Pärchen. Eines ging gerade auf die 30 zu und hat den Kurs bestimmt in Form eines Gutscheins geschenkt bekommen. Also jene Art von Geschenken... Nennen wir sie Susi und Alex. Das andere Pärchen, Ralf und Doris, ist sonst samstags wahrscheinlich auf dem Golfplatz unterwegs. Und suuuuper entspannt. Ralf hatte sich sogar am Morgen mal nicht rasiert, wie Doris uns erzählte. Dann war da noch Sabine, richtig, Mitte 50 und Single. Und schon konnte es losgehen. 

Der sympathische Sushi-Koch führte uns in die Küche und in die Grundregeln des Sushi-Zubereitens ein. Die beiden Pärchen bildeten jeweils Teams, ich wurde allerdings - wie schon früher im Sport-Unterricht - zuletzt gewählt und durfte mit Sabine arbeiten. Bevor wir irgendwas anfassen durften, mussten wir erstmal "Hände klatschen", also die Hände befeuchten und das Wasser gut verteilen. Das wurde selbstverständlich zum Running Gag. So lernten wir verschiedene Formen von Temaki, Maki, Nigiri oder Chirashi-Sushi kennen und ich Sabines hilfreiche Kommentare schätzen, ohne die ich sicher nicht in der Lage gewesen wäre, den Reis vom Algenblatt zu unterscheiden. Nur Susi hatte ein noch größeres Problem: sie mochte keinen Fisch. Warum man dann zu einem Sushi-Kurs geht, bleibt ihr Geheimnis, aber zum Glück gab es ja noch jede Menge Gemüse-Sorten, die Eingang in die eine oder andere Sushi-Rolle finden sollten. Dumm nur, dass sie auch keine Avocado mochte und Sesam sowieso nicht. Alex war das sichtlich peinlich. Nur Ralf und Doris waren die ganze Zeit suuuper entspannt.



Drei Stunden später durften wir alle produzierten Sushi-Teilchen mit nach Hause nehmen. Sabine nahm besonders viel Wasabi mit, denn sie ist "eher so die Scharfe, nicht?" ...... Ja. Meerrettich schmeckt mir auch, antwortete ich. Um nicht missverstanden zu werden, es hat echt Spaß gemacht. Nur ist mein Sushi-Bedarf ob der drei Kilo Reis im Magen für die nächste Zeit erstmal gedeckt. Vielleicht geh ich bis dahin mit Sabine in die Sauna. Oder mit Ralf und Doris auf den Golfplatz. Oder was man sonst am Wochenende so macht.