2 mars 2014

U-Bahn-Gespräche#5: Der Narbenvergleich (Gastbeitrag)

Vorhang auf, eine Premiere auf diesem Blog: Es folgt der erste Artikel, den ich nicht selbst geschrieben habe. Er fügt sich jedoch ganz wundervoll in die Reihe "U-Bahn-Gespräche" ein, auch wenn das Gespräch im Bus stattfand. Aber wir wollen ja nicht päpstlicher sein, als der Papst es sowieso nicht ist. Viel Spaß beim Busfahren mit Tabea. Aber immer schön vorne einsteigen! 
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Nicht nur in der U-Bahn, auch in den anderen öffentlichen Verkehrsmitteln Frankfurts gibt es tolle Gespräche zu belauschen und darin bin ich ziemlich gut (und neugierig, weswegen die von meinen Erzieherinnen oft als „Rhabarber-Ohren“ beschimpften Lauscher auch immer schön in Richtung der spannendsten Geschichte ausgerichtet sind).

Kommen wir zu einer Begebenheit, die sich vor gar nicht so langer Zeit in meinem Lieblingsbus – der quasi direkt vor meiner Haustür abfährt, wofür ich sehr, sehr dankbar bin – ereignet hat. Eins vorneweg: Es geht um fragliche Essensverabredungen – und um Kaiserschnittnarben. Für die medizinischen Laien unter euch: Das sind die kleineren oder größeren vernarbten Hautregionen im Unterbauchbereich, die nach einer Kaiserschnittgeburt zurück bleiben. Bei der Mutter natürlich, nicht beim Kind.   

Folgende Situation:

Ich steige in den Bus – schön bequem in der Mitte, um den Fahrer so wenig wie möglich mit dem Gedanken zu belasten, dass er eventuell in eine der seltenen, nervenaufreibenden Situationen geraten ist, einen Fahrschein lösen zu müssen. Das setzt die Armen immer mächtig unter Stress und so selten, wie das passiert, kann ich mir nur zu gut vorstellen, dass die Nummern nicht immer gleich zur Hand sind und die Handgriffe alle nicht so gut sitzen und…. Aber na gut, das ist ein anderes Thema. 

Also: Ich steige an der mittleren Tür ein, wo auch Kinderwagen, Fahrräder und Betrunkene einsteigen (also alles, was viel Platz braucht) und quetsche mich an zwei eingeparkten Kinderwägen und den auf dem ausklappbaren Sitz geparkten Mädels vorbei in Richtung vordere Bushälfte, wo ich mich im Vierersitz niederlasse und überlege, ob die beiden jungen Mädels neben den Kinderwägen die Muttis oder die Babysitterinnen der beiden Kleinen sind. Ja, innerlich habe ich bereits die Stimme meiner Oma in meinen Gedanken gehört, die sich bei der Theorie, dass die Mädels, die etwa 14 oder 15 Jahre alt waren, die Mütter sein könnten, eine Hand vor den Mund schlägt und sagt: „So jung!“ Meine Dorfherkunft schlägt wieder durch, was soll ich tun? Ganz einfach: Ohren aufsperren. Gedacht, getan. 

Eine der beiden Mädels telefoniert.
- Mädel 1: Ja, aber es wäre total toll, wenn du den Kleinen  heute Abend nehmen könntest. …  Ja, ich kann mit meiner Mutter heute Abend mal essen gehen, das wäre toll. … Bitte! ...  Hmh. … Ach bitte, dann könnten wir essen gehen! … Ja, wann könnte ich dir den Kleinen denn vorbei bringen? … Oh, danke, super. … Ja, dann machen wir das so. Danke! … Tschüss.“ 

(offensichtlich legt sie hier auf und wendet sich an ihre Nachbarin) 

- Mädel 1: Oh, Gott sei Dank, sie nimmt ihn. Wie machen wir das also jetzt später? Am besten, ich nehme meine Sachen mit und ziehe mich dann bei dir um.
- Mädel 2: Ja, dann machen wir das so. Das klingt doch gut.
- Mädel 1: Dann ziehe ich mich erst bei dir um, okay. Oah, das wird so gut! Endlich mal wieder feiern!
Mein Gehirn arbeitet. War nicht eben noch die Rede von einem Essen mit Mutti gewesen, für das man „den Kleinen“ gerne woanders sicher aufgehoben wissen will? – Na gut, damit kann ich noch gut leben. Wenn die Umstände so sind, dass ein offensichtlich noch pubertäres Mädchen sich ihr einmaliges Feiern erschwindeln muss – naja, auch junge Muttis (dieser Verdacht war für mich mittlerweile erhärtet) brauchen ihre Kindheit. In der Zeit meiner Überlegungen ist das Gespräch offenbar fortgesetzt worden, denn als ich wieder hinhöre…

- Mädel 1: Wie ist eigentlich deine Narbe?

Ich (gedanklich): Hä?

- Mädel 1: Also vom Kaiserschnitt.

 Ich (gedanklich wieder auf der Höhe): Achso.
- Mädel 2: Naja, schau mal (man hört friemeln)…
Ich (gedanklich erstaunt kichernd): Im Ernst? Narbe auspacken im Bus? … Stark.
- Mädel 2: Ich weiß nicht, die ist irgendwie ein bisschen dick.
- Mädel 1: Meine ist toll geworden. Guck mal. (man hört friemeln)

Gedanklich im Lachflash ob des öffentlichen Narbenvergleichs am Unterbauch zweier 15-jähriger, wende ich meine Gedanken von dem offensichtlich recht intimen Gespräch ab und konzentriere mich auf eine andere Gruppe jugendlicher Mädels, die sich über ihre ersten Praktikumserfahrungen unterhielten. So unterschiedlich können Vergleiche im Bus sein…

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To be continued? Ob demnächst weitere Gespräche aus dem Bus folgen werden, wird sich zeigen. Ich würde mich freuen.